Mit diesem Fall, über den die Plattform Anwaltsregister.de informiert, befasste sich das Gericht: Ein Biker fuhr auf einer geraden Bundesstraße am Ende einer Kolonne, die sich hinter einem langsam fahrenden Fahrzeug gebildet hatte. Weil die Straße gut einsehbar war, entschloss sich der Motorradfahrer, etwa neun bis zehn Fahrzeuge zu überholen. Während des Überholvorgangs des Motorradfahrers setzte ein weiterer Fahrer aus der Kolonne zum Abbiegen nach links an. Da er beim Abbiegen den Schulterblick vergaß, übersah er den Motorradfahrer – es kam zur Kollision.
Sowohl der Abbieger als auch der Überholer forderten Schadenersatz. Der Abbieger argumentierte, der Biker hätte eine so lange Kolonne gar nicht erst überholen dürfen. Der Motorradfahrer betrachtete den fehlenden Schulterblick als Hauptursache für den Unfall.
Abbieger trägt Hauptschuld
Das Gericht war größtenteils auf der Seite des Bikers. Auf der gut einsehbaren Strecke sei der Motorradfahrer gut zu erkennen gewesen. Nur wenn er nicht verlässlich hätte beurteilen können, wie sich die Vorausfahrenden verhalten und somit die Verkehrslage unklar gewesen wäre, hätte der Motorradfahrer nicht zum Überholen ansetzen dürfen.
Dem Abbieger sprach das Gericht wegen des Nichtbeachtens der Rückschaupflicht einen Haftungsanteil von 75 Prozent zu. Nach Ansicht der Richter hätte er damit rechnen müssen, dass sich bei einer so langen Kolonne schon jemand von hinten nähern könnte. Aufgrund der Betriebsgefahr des Motorrads musste der Biker 25 Prozent der Haftung übernehmen.
Oberlandesgericht Celle
Aktenzeichen 14 U 118/21